Press Release

Minimalinvasive Chirurgie in Deutschland: Steigende Trends – doch offene OPs bleiben weit verbreitet

Auswertung zur Versorgung der Kolon-Divertikulose und Darmkrebs
Mrz 03, 2025

– Frankfurt/Main, 03. März 2024 – Minimalinvasive Operationen bieten zahlreiche Vorteile im Vergleich zu offenen Eingriffen. Zwei aktuelle Studien unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Krieg, Direktor der Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie und Protologie (Standort: Klinikum Herford), der Ruhr Universität Bochum und Prof. Dr. Karel Kostev, leitender Epidemiologie von IQVIA Deutschland, weisen allerdings jetzt darauf hin, dass in Deutschland weiterhin viele offene OPs durchgeführt werden. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass häufigere minimal-invasive Operationen – soweit medizinisch möglich – die Behandlungsqualität für die Patienten verbessern könnten.

Durch kleinere Schnitte bei minimalinvasiven Operationen kommt es zu weniger Gewebetraumata. Postoperativ wird dann weniger Schmerz erwartet und die Heilung wird beschleunigt. Auch ist die Infektionsrate bei kleineren Öffnungen des Körpers im Vergleich zu großen Schnitten niedriger. Patienten profitieren letztendlich von weniger Komplikationen aufgrund des chirurgischen Eingriffs und kürzeren Krankenhausaufenthalten.

Trotz dieser nachgewiesenen Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie führen Ärzte in Deutschland dennoch häufig offenen Operationen mit großen Schnitten durch. Dies wird durch zwei Studien gezeigt unter der Leitung von Prof. Karel Kostev (IQVIA) und Prof. Andreas Krieg (Direktor der Uniklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie und Proktologie an der Ruhr-Uniklinik Bochum).

Minimalinvasive vs. offene Chirurgie bei Kolon-Divertikulose

Die Forscher untersuchten, wie Ärzte Kolon-Divertikulose behandeln. Bei dieser Darmerkrankung kommt es zu Ausstülpungen (Divertikeln) der Dickdarmschleimhaut. In vielen Fällen ist diese Divertikulose asymptomatisch. Allerdings gibt es auch schwere Fälle mit Abszessen oder Perforationen in der Darmwand. Dann muss an dem betroffenen Darmabschnitt ein chirurgischer Eingriff erfolgen, bei dem der erkrankte Darmanteil entfernt wird. Die Prävalenz der Kolon-Divertikulose variiert in der westlichen Welt von 20 – 42 % in der Bevölkerung mit steigenden Fallzahlen in den letzten Jahrzehnten1.

Profs. Krieg und Kostev analysierten Daten aus 36 deutschen Krankenhäusern zwischen dem 1. Januar 2019 und 31. Dezember 2023. Eingeschlossen wurden Patienten ab 18 Jahren mit Kolon-Divertikulose und notwendiger chirurgischer Therapie. Von den 1670 Patienten hatten 63, 2 % eine Perforation der Darmwand mit Abszess. Die Rate der minimalinvasiven Eingriffe stieg bei diesen komplizierten Fällen von 34,6 % im Jahr 2019 auf 52,9 % im Jahr 2023 und bei unkomplizierten Fällen von 67,8 % auf 86,2 %.

Abb .1.: Die Zahl an minimalinvasiven OPs bei Kolon-Divertikulose nimmt generell zu – stärker beim unkomplizierten Krankheitsbild (links). Bei Komplikationen führen Ärzte häufig offene Eingriffe durch (rechts). Source: E.W. Kolbe et al.: Tech Coloproctol. 2025 Jan 16;29(1):46. doi: 10.1007/s10151-024-03092-1

Offene Operationen waren in dieser Retrospektivanalyse mit einer über 7-mal höheren Sterblichkeit im Krankenhaus (Odds Ratio (OR) 7.41) sowie mit deutlich mehr Komplikationen im Vergleich zu minimalinvasiven Eingriffen verbunden. Zudem war die Krankenhausaufenthaltsdauer bei offenen Operationen signifikant länger – und zwar um 4,6 Tage bei Patienten mit Perforation und Abszess bzw. betrug 0,5 Tage bei Patienten ohne diese Komplikationen.

Ärzte behandeln Patienten mit Kolon-Divertikulose in Deutschland zunehmend minimalinvasiv, fasst das Forscherteam zusammen. Aber: „Nach wie vor sind offene Verfahren bei komplizierten Fällen weit verbreitet. Sie sind mit höherer Sterblichkeit, mit mehr Komplikationen und mit längeren Krankenhausaufenthalten in unseren untersuchten Fällen assoziiert.“

Minimalinvasive vs. offene Chirurgie bei Darmkrebs

Krieg, Kostev und Kollegen wollten weiterhin wissen, ob es solche Unterschiede auch in anderen und häufig auftretenden Erkrankungen des Darms gibt. So untersuchten sie ebenso die chirurgischen Maßnahmen beim kolorektalen Karzinom (Darmkrebs). Die Informationen hierzu entstanden wiederum in den Jahren zwischen Januar 2019 und Dezember 2023 in den 36 deutschen Krankenhäusern.

Abb.2: Auch bei Darmkrebs setzen Ärzte – trotz des Trends hin zu minimalinvasiven Verfahren – häufig auf offene OP-Techniken. Source: A. Krieg et al.: Surg Endosc. 2024 Aug 29;38(11):6338–6346. doi: 10.1007/s00464-024-11210-1

Insgesamt haben die Forscher zur Auswertung 4525 Darmkrebs-OPs analysiert, darunter 2767 offene und 1758 minimalinvasive Eingriffe. Die Krankenhaussterblichkeit war bei offenen Operationen signifikant höher (6.1 % vs. 1.7 %). Zudem ging die offene Chirurgie mit einem 2.4-mal höheren Risiko einer Blutungsanämie, einem 1.7-mal erhöhtem Risiko der respiratorischen Insuffizienz und einem 3.6-mal höherem Risiko weiterer Komplikationen einher. Die durchschnittliche Krankenaufenthaltsdauer war bei offener Chirurgie ebenfalls deutlich länger (19.5 Tage vs. 11 Tage).

„Trotz der Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie, darunter die niedrigere Sterblichkeit, weniger Komplikationen und kürzere Aufenthalte auf Station, behandeln Ärzte Darmkrebspatienten häufiger mit offenen chirurgischen Methoden“, fasst Prof. Krieg zusammen. „Unsere Studien zeigen jedoch, dass die minimalinvasiven Verfahren häufiger eingesetzt werden sollten, um die Behandlungsqualität nach dem Eingriff zu verbessern.“

Prof. Karel Kostev betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Real-World-Daten für Fragestellungen, wie die hier vorliegenden, in Bezug auf den Einsatz von OP-Techniken. Die Informationen aus Real-World-Daten unterstreiche die Notwendigkeit vermehrter, minimalinvasiver Techniken und hebe deren potenzielle Vorteile für die Versorgungsqualität bei Darmkrebspatienten und Patienten mit Kolon-Divertikeln hervor: „Real-World-Daten helfen, Einblicke in die Versorgungsrealität zu gewinnen und Maßnahmen abzuleiten. Der Blick in Krankenhausinformationssammlungen und die Analyse dieser Daten ermöglicht,  Behandlungskonzepte und -strategien neu zu durchdenken und zu optimieren und die Versorgung zukünftig für die Patienten und die Behandler zu verbessern.“

Die Studien entstanden unter Beteiligung von IQVIA Deutschland, führendem Anbieter von klinischen Forschungsdiensten, kommerziellen Einblicken und Gesundheitsinformationen für die Life-Sciences und Gesundheitsbranchen.

 

1Prevalence of Diverticulosis and Diverticular Disease | SpringerLink

 

Original Publikationen

E.W. Kolbe, M. Buciunas, S. Krieg, S.H. Loosen, C. Roderburg, A. Krieg, K. Kostev: Minimally invasive versus open surgery for colonic diverticular disease: a nationwide analysis of German hospital data. Tech Coloproctol. 2025 Jan 16;29(1):46. doi: 10.1007/s10151-024-03092-1

A. Krieg, E. W. Kolbe, M. Kaspari, S. Krieg, S. H. Loosen, C. Roderburg, K. Kostev: Trends and outcomes in colorectal cancer surgery: a multicenter cross-sectional study of minimally invasive versus open techniques in Germany. Surg Endosc. 2024 Aug 29;38(11):6338–6346. doi: 10.1007/s00464-024-11210-1

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